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Ohne die Teilhabe aller geht es nicht | Kurzinterview mit dem Landesseniorenrat Baden-Württemberg zum Thema „Altersdiskriminierung“

Der Landesseniorenrat Baden-Württemberg ist ein Zusammenschluss von Kreis- und Stadtseniorenräten, Seniorenverbänden und Landesorganisationen, die auf dem Gebiet der Altenarbeit tätig sind. Kernaufgabe des Landesseniorenrates ist die Vertretung der Interessen älterer Menschen gegenüber Regierung, Politik, Verbänden und Organisationen mit dem Ziel, die vielen Facetten des Alters in der Öffentlichkeit zu verankern. Dabei geht es um gesellschaftliche Teilhabe, Selbstbestimmung und Sicherheit der fast drei Millionen über 60-Jährigen im Süd-Westen Deutschlands.

 

In einem kurzen Interview hat uns Prof. Dr. Eckart Hammer, der Vorsitzende des Landesseniorenrates, ein paar Fragen zu den Auswirkungen von Altersdiskriminierung auf ältere Menschen beantwortet.

 

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  1. Lieber Herr Prof. Dr. Hammer, was ist Ihnen besonders wichtig, wenn es um das Thema Altersdiskriminierung geht?

Mir ist beim Thema Altersdiskriminierung wichtig, nicht nur auf die vordergründige Form von Altersdiskriminierung zu schauen – also zum Beispiel die Diskriminierung basierend auf stereotypen Bildern des Alters. Im Alltag älterer Menschen gibt es zusätzlich weitere, eher indirekte Formen von Diskriminierung, die dadurch generiert werden, dass das Älterwerden in vielen Bereichen des gesellschaftlichen Lebens nicht mitbedacht, vergessen oder gar marginalisiert wird. Fehlende Infrastrukturen oder faktische Barrieren, die besonders Ältere betreffen, führen zur alltäglichen Ausgrenzung älterer Menschen.

  1. Welche Bereiche sind von dieser nicht-vordergründigen Altersdiskriminierung besonders betroffen und welche Auswirkungen auf die gesellschaftliche Teilhabe älterer Menschen ergeben sich dadurch?

Besonders betroffen sind die Bereiche, die gerade Digitalisierungsprozesse durchlaufen, bzw. bereits durchlaufen haben. Dazu gehören beispielsweise Banken, die aufgrund von Online-Banking immer weniger Filialen haben und für Kontoauszüge in Papierform mittlerweile Gebühren erheben. Aber auch Arztpraxen, die Termine nur noch online vergeben, erschweren älteren Menschen ohne Zugang zur digitalen Welt den Gang zum Arzt. Ein weiterer wichtiger Bereich ist die Mobilität. So sind zum Beispiel vergünstigte Bahntickets nur über die entsprechenden Apps verfügbar, ohne digitales Endgerät aber kaum zu erwerben. Ältere Menschen sind ohnehin weniger mobil als Jüngere und werden dadurch noch stärker ausgegrenzt.

 

So sind ältere Menschen, die digital nicht (mehr) mithalten können, mittlerweile von immer mehr Dienstleistungen ausgeschlossen, die die Teilnahme am öffentlichen Leben teilweise erst ermöglichen. Deshalb spreche ich von nicht-vordergründiger Altersdiskriminierung, da ältere Menschen in diesen Bereichen zwar nicht explizit, aber doch implizit aufgrund ihres Alters und fehlender digitaler Kenntnisse exkludiert werden.

 

Dieser Ausschluss von der Teilhabe am öffentlichen Leben führt letztendlich auch dazu, dass das Einsamkeitsempfinden vieler älterer Menschen verstärkt wird.

  1. Wie kann dieser Form von Altersdiskriminierung aus Sicht des Landesseniorenrates entgegengewirkt werden?

Die Forderung, die der Landesseniorenrat immer stellt, ist, dass ein analoges Leben auf jeden Fall möglich sein muss – sei es bei der Post, der Bank, der Bahn, etc. Wir müssen bei allen Digitalisierungsprozessen das Bewusstsein dafür haben, dass es Menschen gibt, die nicht ohne Weiteres am digitalen Leben teilnehmen können und für die die Digitalisierung keine Erleichterung, sondern, im Gegenteil, Barrieren und Herausforderungen mit sich bringt. Dafür müssen wir weiter sensibilisieren und so die eher schleichende, für viele nicht sichtbare Ausgrenzung von älteren Menschen in vielen Bereichen des öffentlichen Lebens verhindern.

 

Auf lokaler Ebene können hierfür Seniorenräte und -beiräte mit ins Boot geholt werden, um bei der Gestaltung von öffentlichen Dienstleistungen mitzuwirken, auf mögliche Barrieren aufmerksam zu machen und die Sicht älterer Menschen einzubringen. Auf Landesebene fungiert der Landesseniorenrat als „Wächter und Mahner“, um zu intervenieren und den Finger in die Wunde zu legen. Gemeinsam mit unseren Mitgliedern arbeiten wir aber auch an der Förderung digitaler Kompetenzen von älteren Menschen, hier gibt es allerdings Grenzen, sodass es unerlässlich ist, stets an die Bedürfnisse der älteren Menschen zu erinnern.

 

Ältere Menschen gehören genauso zu unserer Gesellschaft wie auch die Jüngeren. Sie kümmern sich um ihre Enkelinnen und Enkel sowie um Hochaltrige mit Pflegebedarf und unterstützen häufig finanziell ihre Familien. Sie gestalten in vielen Bereichen das Ehrenamt, wirken an der Integration Geflüchteter mit, setzen sich für Klimaschutz ein und stärken so unseren gesellschaftlichen Zusammenhalt. Als großer und wichtiger Teil unserer Gesellschaft dürfen ältere Menschen bei der Gestaltung des öffentlichen Lebens einfach nie vergessen werden!

 

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Wir danken Herrn Prof. Dr. Hammer ganz herzlich für das Gespräch!

 

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