„Die Kirche im Quartier“: Kurzinterview mit Vertreterinnen des Dialogforums der Kirchen in der Region Stuttgart/ Diözese Rottenburg-Stuttgart und der Evangelischen Akademie Bad Boll
Das Dialogforum der Kirchen in der Region Stuttgart und die Evangelische Akademie Bad Boll sind zwei Akteure, die sich schon seit einigen Jahren mit dem Thema „Kirche(n) und Quartier“ befassen. Sie verantworten seit 2019 die Reihe „Impulse der IBA“ in Kooperation mit der Internationalen Bauausstellung IBA´27 StadtRegion Stuttgart, in der verschiedene Themen rund um Quartier und Stadtentwicklung behandelt werden, darunter waren auch immer wieder Tagungen, bei denen die Rolle der Kirchen in Fragen der Stadt- und Dorfentwicklung diskutiert wurde. Weitere Informationen zur Veranstaltungsreihe finden Sie hier.
In einem kurzen Interview haben die Veranstalterinnen der Reihe „Impulse der IBA“, Jutta Wiedmann (Dialogforum der Kirchen und Diözese Rottenburg-Stuttgart) und Dr. Kerstin Renz (Evangelische Akademie Bad Boll), einige Fragen zu Bedeutung und Potential der Kirchen für die Quartiersentwicklung beantwortet. Ein gutes Miteinander der Menschen vor Ort zieht sich als roter Faden durch alle Themen der Reihe. Die bevorstehende Veranstaltung am 11. März 2025 heißt „Stadt der Frauen. Wege zu einer gendergerechten und fürsorgenden Stadt“, weitere Informationen und die Möglichkeit zur Anmeldung finden Sie hier.
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Frage 1: Frau Wiedmann und Frau Dr. Renz, warum ist die Kirche ein wichtiger Akteur im Quartier?
„Muss die Kirche weg?“ hatten wir im Jahr 2022 eine der Veranstaltungen genannt. Leerstand von Kirchen und Kirchengemeinderäumen war das Thema und wie man diese für das Quartier nutzbar machen kann. Die Tagung damals war erfolgreich, auch wenn wir uns Kritik wegen des Titels eingehandelt haben. Es ging natürlich nicht darum, dass man prioritär kirchliche Gebäude abreißt, um Gestaltungsraum zu gewinnen, sondern um die Transformation kirchlicher Räumlichkeiten – die ja meistens im Ortskern oder mitten im Quartier liegen – hin zu einer Nutzung, die allen Bewohnerinnen und Bewohnern eines Quartiers zugutekommt.
Kirchen und Kirchengebäude sind schon (immer) da im Quartier. Allein die vier großen Kirchen in Baden-Württemberg verfügen zusammen über 20.000 Gebäude. Aber durch die sinkenden Mitgliederzahlen der Kirchen werden sie weniger genutzt und manche stehen sogar leer. Es stellt sich die Frage: Was tun wir zukünftig damit? Wie kann dieser Bestand gemeinwohlorientiert genutzt werden?
Frage 2: Wie können sich kirchliche Einrichtungen in die Quartiersentwicklung einbringen und das Gemeinwesen vor Ort mitgestalten? Welche Synergien könnten dabei entstehen?
Begegnungsmöglichkeiten sind in unserer auseinanderdriftenden Gesellschaft wichtiger denn je. Wenn auch die Kirchenmitgliedschaft und der christliche Glaube an Bedeutung verlieren, so sind doch immer noch die Gebäude da, die für Begegnung zur Verfügung stehen. Sie sind sogenannte „Dritte Orte“, das heißt sie bieten die Möglichkeit, auf nicht-kommerzielle Art und Weise Gemeinschaft und bürgerschaftliches Engagement zu fördern.
Die Gebäudeprozesse, die die Diözese Rottenburg-Stuttgart (Räume für eine Kirche der Zukunft) und die Württembergische Landeskirche (Oikos) im Moment auf den Weg bringen, haben zum Ziel, den Gebäudebestand für die Zukunft fit zu machen, und dabei spielen alternative Nutzungen und Kooperationen mit nicht-kirchlichen Nutzerinnen und Nutzern eine große Rolle. Die Kirchen sind hier Partner für die vielfältigen Akteure in Quartier und Kommune.
Nicht nur in Württemberg, auch bei der evangelischen und katholischen Kirche im badischen Landesteil gibt es schon zahlreiche Beispiele und Pilotprojekte für alternative und erweiterte Nutzungen, die ja auch in diesem Newsletter vorgestellt werden.
Aus kirchlicher Perspektive müssen wir akzeptieren, dass wir an Bedeutung verlieren und zukünftig einer von vielen Akteuren in der Quartiersentwicklung sind. Gleichzeitig können wir mit unseren bereits vorhandenen und meist gut ausgestatteten Gebäuden in günstigen Lagen viel zur Gemeinwohlentwicklung beitragen. Dazu tragen im Übrigen auch die zahlreichen Dienste bei, die Caritas und Diakonie für die Gesellschaft anbieten.
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Wir danken Frau Wiedmann und Frau Dr. Renz ganz herzlich für das Gespräch!