Wenn die Kirche ins Quartier geht… | Statements aus der Kirchenlandschaft in Baden-Württemberg
Wenn Kirche ins Quartier geht, so Dr. Christiane Bundschuh-Schramm von der Diözese Rottenburg-Stuttgart, lerne sie vom fachlichen Konzept der Sozialraumorientierung und buchstabiere dieses mit ihrer Perspektive aus: Der Sozialraum sei ein lokaler und sozialer Raum, in dem sich Gott und Mensch begegnen und sich das Evangelium aktuell ereigne. „Nichts im Quartier kann Kirche allein. Das Quartier ist ein Raum des gemeinsamen Wohnens und Gestaltens. Christinnen und Christen, die dort wohnen oder sich dort ehrenamtlich oder beruflich engagieren, mögen sich einbringen, aber nicht so, dass ihre religiöse Orientierung trennt, sondern dass sie verbindet. Im Quartier macht Kirche nichts für sich, sondern mit allen und für alle.“
Seelsorgerinnen und Seelsorger sowie Christinnen und Christen bringen ihre Spezifika in das Quartier ein, ohne dadurch die Arbeit der anderen abzuwerten. Spezifika sind: Seelsorge, Kommunikation und Förderung von Kommunikation, Gestaltung bzw. Mitgestaltung bestimmter Termine, Feste und Zeiten, wie z.B. Nikolaus, Martinsumzug, Bewohner- oder Begegnungsfeste, und soziale Dienste. Bei all dem sind sie aber auf weitere Partner angewiesen, so Frau Dr. Bundschuh-Schramm weiter.
Wie das konkret aussehen kann, wird am Beispiel „Sorgende Gemeinde werden – miteinander füreinander“ der Evangelischen Kirche in Baden deutlich. Pfarrerin Ingrid Knöll-Herde, Badische Landeskirche, berichtet dazu: „Unter diesem Programm planen und setzen Kirchengemeinden zusammen mit verschiedenen Akteuren der kommunalen Gemeinde Projekte um, die Teilhabe ermöglichen. Die Kirchengemeinde versteht sich als aktiver Partner und Teil des Quartiers, des Dorfes bzw. der gesamten Kommune. Die Projekte sind generationenübergreifend angelegt. Gemeinsam wird so auf Bedarfe des gesamten Ortes verantwortlich reagiert. Ehrenamtliche und Hauptamtliche aus Kirchengemeinde und Kommune arbeiten Hand in Hand. Unterstützt werden die Projekte auch durch Beratung in den Bereichen Projektbegleitung und Finanzierungsmöglichkeiten durch die Evangelische Kirche und ihre Diakonie.“
Auch Oberkirchenrätin Dr. Annette Noller, Vorstandsvorsitzende des Diakonischen Werks Württemberg, veranschaulicht, wie die Kirche, z.B. mit dem Projekt „Aufbruch Quartier“ in Quartieren wirken kann: „Mit Quartiersentwicklung stärken Landeskirche und Diakonie in Württemberg die Versorgungssicherheit und Teilhabe für hilfe- und unterstützungsbedürftige Menschen im Nahraum. Diakonische Dienste und Einrichtungen sowie die Kirchengemeinden sind in allen inklusiven Handlungsfeldern aktiv und gut vernetzt. Die Diakonie bringt Akteure der Zivilgesellschaft für die gemeinsame Gestaltung von Nachbarschaften und Caring Communities zusammen. Dabei stehen Ressourcen durch Netzwerke oder durch Gebäude in den Quartieren für ein weitgehend selbstbestimmtes Leben und umfassende Teilhabe der Menschen vor Ort zur Verfügung. Im aktuellen Strukturwandel in den evangelischen Kirchengemeinden inmitten von Wohn- und Lebensräumen kommt ‚Aufbruch Quartier‘ deshalb genau zur richtigen Zeit und kann mit seinem handlungs- und umsetzungsorientierten Ansatz Veränderungen in der Landeskirche und im Gemeinwesen wirkungsvoll unterstützen.“
Es wird deutlich, dass kirchliche Akteure bei der Gestaltung des Zusammenlebens in Städten und Gemeinden eine wichtige Rolle einnehmen und Bedarfe in den Quartieren gemeinschaftlich abdecken können. Dr. Stefan Bonath, Erzdiözese Freiburg, führt dazu aus: „Für die Erzdiözese Freiburg spielen die kirchlichen Gemeinden vor Ort und ihre Beziehungen zum Sozialraum eine wichtige Rolle in ihrem Handeln. Kooperationen mit verschiedenen Akteuren finden von daher auf vielfältige Weise in den Quartieren und Stadtteilen statt. Die Caritas ist in einzelnen Kommunen Trägerin von Quartiersarbeit, sodass Verknüpfungen zwischen Kirchen und Quartieren ermöglicht sind. Ebenso gibt es gezielte Projekte in Städten, in denen Kirche und Kommune zusammenarbeiten. In den diözesanen Konzepten wird auf die Menschen vor Ort verwiesen, die der Kirche vor Ort ein Gesicht geben. Sie sind es, die sich in ihren Quartieren und Stadtteilen einsetzen.“